Was nie geschrieben wurde, lesen

Im Interview mit Bert Rebhandl für die Cargo sagt Abbas Kiarostami im Jahr 2012, dass er für seinen nächsten Film auf eine Erinnerung zurückgreifen werde, die bereits 35 Jahre zurückliegt. Er sagt, dass er den Film aller Wahrscheinlichkeit nach in Italien drehen werde und, dass es um eine Frau geht, die vor 70 Jahren ihren Ehemann ermordet hat. Nun ist 94 Jahre alt.

Kiarostami starb vier Jahre später. Er konnte die Dreharbeiten nicht beginnen. Als Relikt vergangener Zukunftspläne geistert seine Antwort durch das Netz. Kiarostami sprach oft davon, dass ihn bloß die ‚halben Filme‘ interessieren, solche Filme, die ihrem Publikum den Raum geben, die Lücken mit ihren Tagträumen zu füllen.

Deleuze schreibt: „Eine Leinwand kann völlig bemalt sein, so daß nicht einmal mehr Luft durchdringt – ein Kunstwerk ist sie doch nur, wenn sie, wie der chinesische Maler sagt, genug Lücken läßt (und sei es durch die Vielfalt von Ebenen), damit dort Pferde herumtollen können.“

Nun ist Kiarostami letzter Film nichts als Lücke, nichts als Geheimnis. An uns, den Ehemord tagzuträumen, ohne Kiarostami dabei Unrecht zu tun –

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