„To have a philosophy is to know how to love and to know where to put it. You can’t put it everywhere, you walk around and you got to to be a minister or a priest to say: yes my son or yes my daughter, bless you. But people don’t live that way, they live with anger and hostility and problems and lack of money and tremendous dissapointments in their life. So what they need is a philosophy, what everybody needs is a philosophy, is a way to say: where and how can I love and be in love so that I can live, so that I can live with some degree of peace. And I guess every picture we have ever done has been in a way a try to find some kind of philosophy for the characters in the film.“
Treibgut
Über die Papageien im Wiesbadener Kurpark
Wer in Wiesbaden aufwächst, weiß, dass der Kurpark, ein im Stil des englischen Landschaftsgartens angelegtes Symbol des Bourgeoisen, besetzt ist von grünen Halsbandsittichen, deren eigentliche Habitate in Afrika und Asien zu finden sind. Die Papageie sind vermutlich aus einem Tierpark entwischt und haben sich in den Nischen des vom Menschen umgewältzten öffentlichen Raums eingenistet. Mitten im Zentrum der Landeshauptstadt, in der unmittelbaren Umgebung der Spielstätte, in welcher bereits Dostojewski seinen Lohn verzockte, singen sie ihre nomadischen Lieder der Subversion. Dabei geben sie uns, ob gewollt oder nicht, ein Vorbild für den richtigen Umgang mit Genre: es gilt, den Fremdkörper in die Konvention zu schleusen, und gleichzeitig das neuartige Gefüge so stimmig erscheinen zu lassen wie die gewohnte Wirklichkeit. Eben hier lässt sich die politische Sprengkraft von Melvilles Entscheidung, die Männer in seinen Gangster-Filmen ihre ikonischen Hüte, welche in Paris bereits aus der Mode gefallen waren, weitertragen zu lassen. Jede einzelne der Kopfbedeckungen scheint zu flüstert: „Das was ist, könnte auch anders sein.“
Ein Berliner* über München
München ist ja auch wie Leverkusen: H&M und alles. Das, was München ausmacht, als Bild ausmacht, das kann man auf der Ansichtskarte kaufen oder ein Selfie machen. Also die Kirche hier, das Museum, die Isar, der Englische Garten – und das nochmal in die Tourismus-Werbeschleife zu schicken ist langweilig. Mich interessiert eher: kann man eine Liebesgeschichte in der Umkleidekabine von H&M erzählen oder in der Eisdiele San Marco. Oder kann in der Raucherecke eines Schulhofs was beginnen? Das interessiert mich mehr. Ich finde alle Liebe und alle Leidenschaft und alle Abenteuer müssen der Welt abgetrotzt werden. Eine Liebesgeschichte unter der Frauenkirche hier oder am Marienplatz im Bayern München Fanshop – das ist eigentlich schon wieder interessant – Bayern München Fanshop könnte man sich schon wieder vorstellen…
Das München muss in dem Verhalten der Menschen, in den Blicken, in der Kleidung, im Reichtum, in den Autos – das ist doch München. Die Münchner gehen doch ganz anders als Berliner. Hier ist eine Bürgerklasse, die hat Geld, das es kracht seit zwei, drei Generationen. Die sind besser erzogen, die haben Immobilienpreise, wo jede Form von Jugendkultur im Keim erstickt wird, gleichzeitig haben sie aber auch ein Selbstbewusstsein hier und auch eine Gelassenheit. Alle diese Dinge müssen in einem Film sein, dass die Polizisten hier die Mieten nicht zahlen können, sondern zwei Stunden fahren müssen, um in die Stadt zu kommen. Deswegen spielt das Auto auch so eine große Rolle.
* Christian Petzold
Es wird aufhören zu schneien, dann wird es regnen, dann kommt der März.
Angela Schanelec „schöne gelbe Farbe“ (1991):
https://dffb-archiv.de/dffb/schoene-gelbe-farbe
Auszüge aus Joseph Vogls „Schöne gelbe Farbe: Godard mit Deleuze“:
Die Szene ist beiläufig, fast unscheinbar. Sie ist weniger als eine Szene und etwas mehr als ein Augenblick. Sie ist ein Vorübergehen, ein Zögern, ein Weitergehen, eine ziellose, kurz angehaltene Bewegung. Und sie ist überdeterminiert, sie ist ein Aufblitzen, in dem selbst etwas aufblitzt – ein flüchtiger Blick und ein unvollständiger Satz. So jedenfalls wird sie gespielt, an der sonnenbeschienenen Außenwand von Malapartes Villa auf Capri und in Godards „Le Mepris“ (Die Verachtung): Fritz Lang schlendert herbei, zögert, deutet auf Francesca, die im gelben Bademantel am abblätternden Rot der Mauer lehnt, und sagt: »Schöne gelbe Farbe«, während er weitergeht. […]
Die Farben ergeben die Ordnung des Films. Sie begleiten die Figuren und wuchern über sie hinaus. Sie übergießen das Bild, ziehen sich in Formen und formlose Formen zusammen. Sie sind Anfangs und Endpunkte oder selbst Bewegungen. Sie stehen nebeneinander, ergänzen sich, teilen und verteilen sich, bilden Oppositionen. Sie können erzählt werden und Bedeutungen in sich aufnehmen, Ja und Nein, Trauer und Glück, Verfolgung und Rettung. Sie können erzählt werden, sind aber selbst keine Erzählung, sie können Bedeutungen annehmen, sind selbst aber insignifikant. Sie bilden die Ordnung des Films, diese Ordnung aber ist nicht die einer Sprache. […]
[N]icht das scharfe Messer, sondern das Schneiden oder Schneidende, nicht ein gleißendes Licht sondern das Gleißen oder Gleißende, nicht der gelbe Stoff, sondern das Gelb-Sein oder Gelb-Seiende, oder – wie Deleuze mit einem Paradox von Lewis Carroll sagt: ein Grinsen ohne Katze.
Über die Ursache von Antonionis Geldmangel
Dominik Graf über die Zukunft des deutschen Kinos

CHRISTIAN SCHWOCHOW: Kannst du trotzdem nochmal zum Schluss – auch wenn du es in der Vergangenheit schon mal gesagt hast – noch einmal formulieren, was du dem deutschen Kino wünschst?
DOMINIK GRAF: Ich würde ihm wünschen, dass eine Reihe kommt, eine Generation oder – also es muss jetzt nicht unbedingt eine junge Generation sein, aber vielleicht schaffen es nur die – irgendeine Welle von Filmen, die sich um nichts mehr scheren, die wirklich Publikum, Einspielquoten – alles scheißegal: „Wir machen das so“.
Die müssen natürlich relativ billig anfangen, weil sie nicht so viel Geld dafür kriegen, wenn sie da loslegen. Aber die müssen ebenso trivial, brutal sein wie auch elitär, gewisserweise, die müssen wirklich das machen, was sie wirklich wollen und niemanden fragen, ob sie das machen dürfen.
Das wär eigentlich wie so eine Frischspritzkur, das was ich dem deutschen Film am meisten wünschen würde. Auch wenn das dann auch wieder in Vorgremien der Hauptgremien irgendwie aus dem Fenster fliegt – von mir aus – aber es muss Filme geben, die einfach anders sind, als die Filme, die im Moment gemacht werden in ihrer Breite. Von den einzelnen herausragenden Beispielen ganz abgesehen. Die gibt es natürlich immer.
Close Up Podcast, Staffel 2, Folge 1: Dominik Graf, 10.10.2018.
Reklame von Jean-Luc Godard
In Gedenken an einen Filmemacher, der wie kein Zweiter für eine Zeit steht, in der das Kino noch den Glauben an die Veränderbarkeit der Welt in sich trug.
Jim Jarmusch’s 5 Golden Rules
Rule #1: There are no rules. There are as many ways to make a film as there are potential filmmakers. It’s an open form. Anyway, I would personally never presume to tell anyone else what to do or how to do anything. To me that’s like telling someone else what their religious beliefs should be. Fuck that. That’s against my personal philosophy —more of a code than a set of “rules.” Therefore, disregard the “rules” you are presently reading, and instead consider them to be merely notes to myself. One should make one’s own “notes” because there is no one way to do anything. If anyone tells you there is only one way, their way, get as far away from them as possible, both physically and philosophically.
Rule #2: Don’t let the fuckers get ya. They can either help you, or not help you, but they can’t stop you. People who finance films, distribute films, promote films and exhibit films are not filmmakers. They are not interested in letting filmmakers define and dictate the way they do their business, so filmmakers should have no interest in allowing them to dictate the way a film is made. Carry a gun if necessary.
Also, avoid sycophants at all costs. There are always people around who only want to be involved in filmmaking to get rich, get famous, or get laid. Generally, they know as much about filmmaking as George W. Bush knows about hand-to-hand combat.
Rule #3: The production is there to serve the film. The film is not there to serve the production. Unfortunately, in the world of filmmaking this is almost universally backwards. The film is not being made to serve the budget, the schedule, or the resumes of those involved. Filmmakers who don’t understand this should be hung from their ankles and asked why the sky appears to be upside down.
Rule #4: Filmmaking is a collaborative process. You get the chance to work with others whose minds and ideas may be stronger than your own. Make sure they remain focused on their own function and not someone else’s job, or you’ll have a big mess. But treat all collaborators as equals and with respect. A production assistant who is holding back traffic so the crew can get a shot is no less important than the actors in the scene, the director of photography, the production designer or the director. Hierarchy is for those whose egos are inflated or out of control, or for people in the military. Those with whom you choose to collaborate, if you make good choices, can elevate the quality and content of your film to a much higher plane than any one mind could imagine on its own. If you don’t want to work with other people, go paint a painting or write a book. (And if you want to be a fucking dictator, I guess these days you just have to go into politics…).
Rule #5: Nothing is original. Steal from anywhere that resonates with inspiration or fuels your imagination. Devour old films, new films, music, books, paintings, photographs, poems, dreams, random conversations, architecture, bridges, street signs, trees, clouds, bodies of water, light and shadows. Select only things to steal from that speak directly to your soul. If you do this, your work (and theft) will be authentic. Authenticity is invaluable; originality is nonexistent. And don’t bother concealing your thievery—celebrate it if you feel like it. In any case, always remember what Jean-Luc Godard said: “It’s not where you take things from—it’s where you take them to.”
Deleuze Peaks
„Es ist zweifelhaft, ob das Kino hierzu ausreicht; doch wenn die Welt zu einem schlechten Film geworden ist, an den wir nicht mehr glauben, kann dann nicht ein wahres Kino dazu beitragen, uns Gründe dafür zu liefern, an die Welt und die ohnmächtig gewordenen Körper zu glauben.“
Von fehlenden Sprühflugzeugen
Alfred Hitchcocks North by Northwest minus Sprühflugzeug.
Eine digital retuschierte Allegorie auf den paranoiden Bewusstseinszustand des isolierten Individuums, starring Cary Grant?