Kino
Dominik Graf über die Zukunft des deutschen Kinos

CHRISTIAN SCHWOCHOW: Kannst du trotzdem nochmal zum Schluss – auch wenn du es in der Vergangenheit schon mal gesagt hast – noch einmal formulieren, was du dem deutschen Kino wünschst?
DOMINIK GRAF: Ich würde ihm wünschen, dass eine Reihe kommt, eine Generation oder – also es muss jetzt nicht unbedingt eine junge Generation sein, aber vielleicht schaffen es nur die – irgendeine Welle von Filmen, die sich um nichts mehr scheren, die wirklich Publikum, Einspielquoten – alles scheißegal: „Wir machen das so“.
Die müssen natürlich relativ billig anfangen, weil sie nicht so viel Geld dafür kriegen, wenn sie da loslegen. Aber die müssen ebenso trivial, brutal sein wie auch elitär, gewisserweise, die müssen wirklich das machen, was sie wirklich wollen und niemanden fragen, ob sie das machen dürfen.
Das wär eigentlich wie so eine Frischspritzkur, das was ich dem deutschen Film am meisten wünschen würde. Auch wenn das dann auch wieder in Vorgremien der Hauptgremien irgendwie aus dem Fenster fliegt – von mir aus – aber es muss Filme geben, die einfach anders sind, als die Filme, die im Moment gemacht werden in ihrer Breite. Von den einzelnen herausragenden Beispielen ganz abgesehen. Die gibt es natürlich immer.
Close Up Podcast, Staffel 2, Folge 1: Dominik Graf, 10.10.2018.
Die ironische Geisteshaltung und das Genaue Hinsehen
IRONIE

PUBLIKUM: Sehen Sie in der Kunst und in künstlerischen Ausdrucksformen ein Potential zu einer Veränderung [unserer] Situation im positiven Sinne?
JOSEPH VOGL: Also wenn ich Ja sage, dann hängt das natürlich mit einem bestimmten Optimismus – man könnte sagen: Berufsoptimismus – zusammen, der darin besteht, dass bestimmte Formen von Analysen nicht konsequenzlos bleiben, das heißt also, dass Analysen immer eine offene Brücke in mögliche Praxis bedeutet. Und vor diesem Hintergrund würde ich sagen: Ja. Kunst im weitesten Sinne, ich habe im wesentlichen Literatur im Kopf, kann dazu beitragen und das Musilsche Argument lautet ganz einfach, dass es zwei völlig unterschiedliche Formen der Ordnungen mentaler Welten gibt. Auf der einen Seite operiert man auf theoretischen Gebiet mit Allgemeinbegriffen, man operiert mit Gesetzmäßigkeiten, alles was haltbare Theorien benötigen: Gesetzmäßigkeiten, Begriffe, die in irgendeiner Weise konstant sind, einen Großteil von Phänomenen unter sich subsumieren können.
Das wäre die eine Seite – und [dann gibt es noch] die andere Seite, die Musil für die Literatur stark macht. Er sagt, es gibt eine Intelligenz, die sich nicht an Gesetzmäßigkeiten hält, die sich nicht an Allgemeinbegriffe hält, sondern die Singularitäten untersucht, wo Gemeinbegriffe scheitern, wo Gesetzmäßigkeiten nicht mehr erkennbar sind. Und genau diese Situation aufzusuchen, in denen man vom Hundertsten ins Tausendste gerät, in denen der Weg der Analyse nie abschließbar ist, in denen Tatsachen, die für gegeben scheinen, unübersichtlich werden, das ist das Feld der Kunst, der Literatur. Und das ist das rasante Theorieangebot von Musil.
Man könnte es vielleicht auch nochmal anders formulieren, auch das kann man von Musil lernen: man kann nach Geisteshaltungen fragen. Wie kann man sich selbst zu bestimmten Geisteshaltungen fügen? Und da würde ich sagen, gibt es zwei verschiedene Zugangsweisen. Die eine Zugangsweise – und das ist interessant, diese Zugangsweisen definieren sich über ein Verhältnis von Problem und Lösung oder Frage und Antwort, wie verhält man sich dazu – die Pessimisten, eine bestimmte Geisteshaltung, die beschäftigen sich mit Problemen, die sich nicht lösen können. Es gibt zweitens die Optimisten – dazu gehören sehr viele Technikwissenschaftler, Naturwissenschaftler – die beschäftigen sich mit den Problemen, die sie mit höchster Wahrscheinlichkeit lösen können. Und es gibt drittens – und dazu würde ich mich vielleicht in irgendeiner Weise zählen – Ironiker, man könnte es Ironiker nennen, die interessieren sich nicht für die Lösungen von Problemen, sondern sie interessieren sich dafür, für gegebene Antworten und für gegebene Lösungen die entsprechenden Fragen und Probleme zu erfinden. Das wäre eine weitere Geisteshaltung. Ich glaube auch Musil ist ungefähr in diese Richtung gegangen.
NAHAUFNAHME

PUBLIKUM: Wenn man guckt, welche Organisationsformen gab es in der Vergangenheit, Gewerkschaften, Genossenschaften, was auch immer, Kollektive in jeglicher Form, aber irgendwie das Gefühl hat, dass sie mit Prinzipien und Methoden arbeiten, die einem anderen Markt entsprangen, und mal aktualisiert werden [müssen], nicht mehr zeitgenössisch sind in dem Sinne. Und deswegen ist es einfach so die Frage, ob ein soziales Netzwerk auch zum Teil an diese Stelle getreten ist als Dialogform, als Zusammenschluss zwischen den einzelnen KämpferInnen auf dem Arbeitsmarkt, überhaupt erst das zu kreieren, wovon man dann loslaufen kann.
JOSEPH VOGL: Ich hab jetzt dafür, abgesehen von den Vorschlägen, die sie alle kennen – ich muss jetzt keine offenen Türen einrennen – das heißt also, es gibt also althergebrachte Lösungen, die, nur weil sie althergebracht sind, nicht obsolet bleiben. Also wie Genossenschaftswesen, etc. Es gibt andere Formen der solidarischen Organisation, die man eben auf dem ganzen Gebiet – denken Sie an die Zeit Herbst 2015, was man alles erlebt hat, was eben beispielsweise vor dem Hintergrund der Migrantenzahlen passiert ist an sozialer Organisation, an Ehrenamtlichen oder weiß Gott was – da haben Sie ganz elementare Beispiele, von Selbsthilfegruppen über Beratungsagenturen bis hin tatsächlich zu Leuten, die sich privat zusammentun, um tatsächlich sozial erfinderisch zu sein. Ich glaube da müsste ich nicht weiter machen.
Ich müsste erst einmal eine negative Antwort geben, weil sie mich in irgendeiner Weise beschäftigt und bedrückt oder so was. Ich glaube es war Frederic Jameson, also dieser linke Literaturwissenschaftler aus den Vereinigten Staaten, der einmal gesagt hat, man kann sich heute eigentlich das Ende der Welt eher vorstellen, als das Ende des Kapitalismus. Und ich glaube das zielt auf eine ziemlich schmerzhafte Seite in unseren Mentalitäten, nämlich, dass unsere politische Einbildungskraft irgendwie sklerotisch [unter Sklerose versteht man eine Verhärtung von Organen oder Gewebe durch eine Vermehrung des Bindegewebes] geworden ist. Lassen sie mich schärfer formulieren: die Ideen, die wir haben – also wenn man sich wirklich mal in den eigenen Imaginationsraum setzt und merkt, dass alle Fenster verschlossen sind, dass es irrsinnig schwer ist, Fenster aufzustoßen, zum Beispiel im Verhältnis zum 19. Jahrhundert, in dem alle möglichen Leute alle möglichen Ideen hatten – dann liegt es daran, die eine Seite haben Sie genannt, dass wir mit überkommenen, veralteten Konzepten und Imaginationen, die wir versuchen, wiederzubeatmen, also sozusagen die untoten Seiten der politischen Einbildungskraft, und auf der anderen Seite alle anderen Einbildungsformen irrsinnig schnell marktförmig sind, Warencharakter haben, also zwischen diesen beiden Extremen sind wir ein bisschen hilflos. Ich will das nicht als Antwort stehen lassen, muss es aber glaube ich so stehen lassen, weil ich befürchte, es artikuliert exakt meine eigene Hilflosigkeit dabei. Also ich denke, es ist irrsinnig schwierig oder irrsinnig kompliziert oder irrsinnig umständlich aus der Marktförmigkeit der eigenen Einbildungskraft irgendwie herauszukommen und deswegen nimmt man im Zweifelsfall bei veralteten Warenhütern noch einmal Zuflucht.
PUBLIKUM: Haben Sie vielleicht auch eine Idee wie wir die Einbildungskraft fördern können?
JOSEPH VOGL: Es gibt in der Pädagogik der Einbildungskraft, würde ich sagen, eine ganz, ganz wesentliche Maßnahme, die dazu beiträgt oder dazu hilft und das heißt: genau hinsehen. Also bei Gegenständen, bei Phänomenen verweilen. Ich glaube je genauer man Gegenstände, Phänomene, welche Art es auch immer sein mag, ansieht, desto mehr fällt einem zu diesen Gegenständen ein. Der schlechteste Weg wäre auf Totalen, auf Gesamtbildern, auf Gesamtzustände Bezug zu nehmen. […] Das genau Hinsehen ist eine Arbeit, die sich nicht spezialisieren lässt, also genau hinsehen heißt nicht, als Markforscher hinsehen, als Literaturwissenschaftler hinsehen, heißt nicht, als Gewerkschafter hinsehen, sondern heißt alle möglichen intellektuellen, seelischen Kapazitäten mobilisieren, um eine Sache zu erfassen. Auch das ist eine Sache, die man bei Musil lernen kann. Man könnte es Perspektivismus nennen, ausgehend von der Unterstellung, dass eine Sache nie von einem, aus einer Perspektive, mit einem Vermögen, sei es Bewusstsein oder Emotion oder wie auch immer, erfassbar wird. Das meine ich damit: Gegenstände in den Blick zu rücken und die Perspektiven darauf zu vervielfältigen unter der Umgehung einer spezialistischen oder expertenhaften Reduktion. Und da wäre das Ästhetische natürlich mit dabei.*
Lars Dreiucker Interviews, Joseph Vogl, 1.4.2017, Deleuze. Post Scriptum, Wiederholung/ Revolution.
*Eine mögliche Querverbindung zu Leo Geislers ‚Bauanleitung für einen Jungen Film‘ (zum Download als PDF unter Identität)?
Nähe: Von der Sache selbst muss ausgegangen werden. Aus dem Besonderen/Alltäglichen/Persönlichen lassen sich Rückschlüsse auf das Allgemeine induzieren. Es ist die Aufgabe des Subjekts sich an das Objekt anzuschmiegen. Ein Film, der verkehrt herum verfährt, ist Reklame. So erklärt sich auch der Film, der seinen Zeigefinger hebt, und der Film, der bemitleidet.
Distanz: Der Einfühlungsfilm verstellt den Weg zum Konkreten. Der psychologische Ansatz entspricht den großen Narrativen des 20. Jahrhunderts, in denen jede Handlung mit einer Bedeutung besetzt ist, einem Anachronismus also. Die ironische Ambiguität, das Unerklärliche, das Suchende entsprechen unserem brüchig gewordenen Jahrhundert. Markov schreibt: Unsere unfertige Gesellschaftsordnung kann kein fertiges Geschichtsbild haben. Sie kann nur Wege weisen. Wege, die sich nicht selbst anbieten, die man suchen muss, behaftet mit dem Risiko der Umwege, ja Irrwege. Gleiches gilt für die Mikro-Geschichten der filmischen Erzählweise. Die lange Einstellung ist die Freundin der Suche.
TREIBGUT: Anekdoten über Ablehnung

Anfang 2020, kurz bevor das Virus nach Deutschland schwappte, produzierte ich eine Handvoll Bewerbungen für ein Filmregie-Studium an sechs staatlichen Hochschulen: Filmakademie Ludwigsburg, HFF München, Hamburg Media School, Babelsberg, Filmakademie Wien und DFFB. Endlich Ernst machen mit dem ganzen Film-Ding. Meine Bewerbung an der DFFB schickte ich im letzten Moment dann doch nicht ab, da sie meine zweite – also letzte – Möglichkeit verkörpert hätte, an der für mich legendären Institution zu studieren. Zudem stimmte beim Dreh wohl irgendwas mit dem Shutter Speed nicht.[1] Dabei hatte ich die 30€ Bewerbungsgebühr bereits überwiesen. In Wien und Babelsberg[2] wurde ich direkt abgelehnt. Einladungen zum Eignungstest erfolgten in Ludwigsburg, München und Hamburg. Ich spekulierte, dass wohl ungefähr die doppelte Anzahl an Bewerber*innen pro Prüfung eingeladen werden würde. Die Stochastik lehrt bekanntermaßen, dass die Wahrscheinlichkeit, bei drei Münzwürfen mindestens einmal Kopf zu erwischen, 87,5% beträgt. Insofern die Götter also nach Zufallsprinzip entscheiden würden, stünden die Chancen ziemlich gut – so meine Rechnung. Spoiler: geklappt hat es nirgendwo. Vielleicht bad luck. Vielleicht bin ich ganz gut darin, vielversprechende Bewerbungsmappen zusammenzustellen, wirke dann in Person aber irgendwie inkompetent. Wahrscheinlich waren die anderen Mitstreiter*innen einfach talentierter und verdienten den Platz an der Sonne mehr als ich.
Gründe für eine Abfuhr lieferte ich mit einer an Selbstsabotage grenzenden Sturheit jedenfalls genug. Für die Aufgabe, einen 5-Minüter in 72 Stunden zu drehen, reichte ich, Augenringe bis zum Kinn, da Anschlusszug dank Verspätung verpasst, also auf den Nachtzug ausweichen müssend, einen knapp 8-minütigen Kurzfilm ein, dessen erste Hälfte das Komitee „an die Leichtigkeit von Éric Rohmer“ (ich werde ganz rot) erinnerte, dessen zweite Hälfte es sich jedoch aus Fairness-Gründen nicht ansah. Das nächste Eignungsgespräch empfand ich als regelrecht unangenehm. Zuvor wurden wir Möchte-Gern-Filmschaffenden dazu aufgefordert, ein paar Seiten Skript zu verfilmen, in dem sich zwei Elternteile gegenseitig beschuldigen, für den drogeninduzierten Ertrinkungstod ihres Kindes verantwortlich zu sein. Ich konnte absolut gar nix mit dem Drehbuch anfangen, fühlte mich inhaltlich an eine Seifenoper erinnert und empfand wirklich nicht die geringste Lust, den klischeebehafteten Dialog zu inszenieren. Vollkommene Blockade. Der einzige Ausweg schien mir, das Buch als Spiel im Spiel aufzuziehen: als eine Sitzung beim Paartherapeuten, i.e. dem Regisseur, mir, in welcher die beiden Elternteile, mittels des vorgegebenen Stoffs, die Kältewüste zwischen ihnen zu durchqueren versuchen, letztendlich aber natürlich aus den ihnen zugewiesenen Rollen fallen, um über das eigentliche Thema, eine Abtreibung, zu sprechen. Der Film ist – siehe unten [B] – dank der tollen Schauspielleistungen meiner Filmfreund*innen Cosmea Spelleken (Regie, Wien) und Aart Steinmann (Alumnus Drehbuch, DFFB) in meinen Augen ziemlich gut geworden. Ob das Auswahlkomitee mich lediglich in die nächste Gesprächsrunde ließ, um mir meine Arroganz heimzuzahlen, weiß ich nicht. Vielleicht fanden sie das Filmchen auch tatsächlich spannend.
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INT. – LEOS WG-ZIMMER – DAY
LEO (Anfang/Mitte 20) sitzt vor seinem Laptop. Auf dem Bildschirm: die Miniaturversionen von den drei Männern, welche über sein Schicksal entscheiden. Einer von ihnen, DER EWIGE (Schöpfer des Kosmos, also mindestens 13.799±0.021 Milliarden Jahre alt), trägt eine schwarze Sonnenbrille, hängt apathisch in seinem Bürostuhl und scheint allgemein desinteressiert.
DER EWIGE
„Warum wollen Sie [bei uns] studieren?“
LEO
„Ich begebe mich natürlich auf dünnes Eis, weil ich lediglich einige der Trailer von den Studi-Filmen auf Ihrer Website geschaut habe, aber ich bin ein Anhänger des deutschen Autorenfilms.“
DER EWIGE
„Da begeben Sie sich nicht nur auf dünnes Eis, sondern sind bereits im kalten Wasser. Sowas machen wir hier nicht.“
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Fair enough: meine Recherchen waren offensichtlich recht lückenhaft. Grundsätzlich ist es wohl nie ein gutes Zeichen, in einem Auswahlgespräch zunehmend so irritiert zu sein, dass man gegen Ende („Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“) die Frage nach dem Zweck des Gesprächs als solchen stellt, nun, da die Inkompatibilität zwischen Institution und Selbst so offen klafft. Ein offizielles Ablehnungsschreiben erhielt ich nie.
2021 versuchte ich es wieder. Diesmal nur in Babelsberg. Ich wollte nicht weg aus Berlin und die DFFB nahm, aufgrund von Corona, für ein Jahr keine Neuzugänge auf. Abermals wurde ich eingeladen. Abermals wurde ich abgelehnt. Diesmal mit den Worten: „In einem anderen Jahr hätte es vielleicht geklappt, wir waren selbst überrascht.“ Ein anderer Dozent fügte hinzu, dass es an seiner Bewertung für die von ihm betreute Aufgabe gelegen hätte (irgendwie sadistisch, aber irgendwie auch ehrenhaft), ich aber bestimmt sehr klug sei. Ich glaube, er sagte dies aufgrund meiner recht auffälligen Hornbrille. Wie auch immer. Meine Mitbewerber*innen waren tatsächlich alle sehr nett und auch bestimmt sehr fähig. In der Retrospektive bereue ich es lediglich, in der Reflexion zu meiner Inszenierungsaufgabe gesagt zu haben, dass ich mir die Szene wie aus einem Film von Cassavetes vorstelle, woraufhin eine Prüferin entgegnete, dass Cassavetes für sie Gott ist. Naja. In der S-Bahn zurück nach Berlin freundete ich mich dann mit einem weiteren Mitbewerber, s/o Gabriel G., an (wir kamen auf die Frankfurter Rapper Celo & Abdi zu sprechen). Er kam dann noch mit zu mir und wir aßen eine Pizza auf unserem Balkon. Es war Sommer. Ich trank viel Weißweinschorle, erst mit ihm, dann mit meiner WG. Am nächsten Tag hatte ich einen Kater.
Mittlerweile verfüge ich über so etwas wie eine ironische Distanz zu meinen Filmhochschul-Bewerbungen, nehme die Zurückweisungen nicht so hart, bin ummantelt in einen Wattebausch der institutionellen Verachtung und versuche meine persönlichen ‚Probleme‘ in einem allgemeinen Kontext, e.g. als solche der imaginären Sorte zu verstehen. Aber ich bin letztendlich doch Subjekt, ein Ich, das seine Wünsche im Rahmen seiner Lebenswelt strukturiert, trotz des abstrakten Bewusstseins meiner Privilegien. Einzig der Gedanke, dass ein Studium an einer Filmhochschule noch lange kein Garant ist für die Möglichkeit, einen Langspielfilm zu machen, ein Langspielfilm noch lange kein Garant ist für einen zweiten, verunsichert mich. Mit anderen Worten: wie soll ich bloß ein Publikum, irgendeine Form der fragmentierten Öffentlichkeit von meinen Filmen überzeugen, wenn ich es noch nicht einmal schaffe, ein Auswahlkomitee an einer Hochschule für mich einzunehmen, die Gatekeeper meilenweit vor der wirklich engen Stelle des Flaschenhalses bereits mit dem Kopf schütteln? Dabei nimmt Kino doch eine so zentrale Rolle in meinem Alltag ein. Dabei bin ich doch eigentlich davon überzeugt, dass mit genügend Entschlossenheit beinahe Alles möglich ist. Und doch mache ich keine Nachtschichten als Schweißer in einer Stahlfabrik, um meinen ersten Film zu finanzieren, wie Werner Herzog es tat. Und doch gehe ich nicht an die Diamantbörse in Antwerpen oder stehle in drei Wochen 4000$ aus der Kasse eines Sexkinos auf der 55th Street, wie Chantal Akerman es tat.
Wieso eigentlich nicht?
Beweisstück [A]
Beweisstück [B]
[1] Für den 3-Minüter zum Thema „Liebe“ filmte ich meine Großeltern. [A]
[2] Während mir zwei, drei Jahre zuvor in dem Multiple-Choice-Ablehnungsschreiben noch attestiert wurde, dass meine Fähigkeiten „nicht vorhanden“ seien, waren sie nun immerhin „nicht ausreichend vorhanden“.