Godards Neunzehnte Zuschauerin

Im September 1978 hielt Godard eine Vorlesungsreihe über die Geschichte des Kinos vor drei, vier Studierenden in Montreal. Dort sagt er:

Dauernd wird vom Publikum geredet, ich kenne es nicht, ich sehe nicht, ich weiß nicht wer das ist. Angefangen, ans Publikum zu denken, habe ich wegen der großen Misserfolge, wegen der enormen Misserfolge zum Beispiel bei „Les Carabiniers“, den sich in fünfzehn Tagen nur achtzehn Leute angeschaut haben. Achtzehn – ich habe mich nicht verzählt, so weit kann ich schließlich zählen. Da habe ich mir dann gesagt: Wer zum Teufel sind diese achtzehn, das möchte ich gern wissen. Diese achtzehn Personen, die gekommen sind, ihn sich anzuschauen, die hätte ich gerne gesehen, ich hätte gerne ihr Bild gesehen. Das war das erste Mal, dass ich wirklich ans Publikum gedacht habe. Da konnte ich ans Publikum denken. Ich glaube nicht, dass Spielberg ans Publikum denken kann. Wie kann man an zwölf Millionen Zuschauer denken? Sein Produzent kann an zwölf Millionen Dollar denken, aber an zwölf Millionen Zuschauer zu denken, das ist einfach unmöglich. Oder aber es gibt Leute, die genau wie er dachten – man muss sehen, wer diese Leute sind. Und wenn ich meine Tochter sehe, die nicht fünf Minuten von einem Film erträgt, den ich gemacht habe, aber Stunden um Stunden um Stunden Reklame und amerikanische Serien erträgt, das macht mir schon was. Ich sage mir: es hat keinen Zweck… Am liebsten würde ich ihr dann manchmal nichts zu essen kaufen. Das ist ein Moment, da denke ich ans Publikum, da habe ich eine enge Beziehung zu ihm.

Und später dann:

Aber auch, wenn man Filme für drei oder vier Leute macht, kommt es vor, daß man nicht mal diese drei oder vier erreicht. Wenn die Sendungen, die ich mache, im Fernsehen laufen, schaut meine Tochter sie sich nicht an. Sie schaut Muppet Show an oder sonstwas. Und ich auch, also kann ich es ihr nicht mal übelnehmen. Aber manchmal… Zu sehr isoliert zu sein…

Was sind Spielbergs zwölf Millionen gegen das Mädchen vor der Muppet Show?

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