Pier Paolo Pasolini: Gramscis Asche

Pasolini am Grab von Antonio Gramsci.

Gramscis Asche

Nicht nach Mai riecht diese unreine Luft,
die den dunklen Garten der Fremden
noch dunkler macht oder ihn grell durchzuckt

mit blinden Aufheiterungen… Spuckfadenhimmel
über den gelben Terrassenwohnungen,
die in gewaltigem Halbkreis die Kurven

des Tibers verschleiern, die türkisgrünen
Berge Latiums… Einen tödlichen Frieden,
gleichgültig wie unser Schicksal,

verbreitet der herbstliche Mai zwischen
dem alten Gemäuer. In ihm ist die Eintönigkeit der Welt,
zu Ende geht das Jahrzehnt und mit ihm bricht in Trümmer

unsere echte und arglose Mühe
das Leben neu zu gestalten;
das Schweigen, unfruchtbar, vermodert…

Du Knabe hast in jenem Mai, da Irren
noch Leben hieß, in jenem italienischen Mai,
da zum Leben noch Leidenschaft trat,

viel weniger leichtsinnig und von falscher Gesundheit
als unsere Väter – nicht Vater, sondern demütiger
Bruder – du hast mit deiner dünnen Hand

(nicht für uns: du Toter für uns,
die wir auch tot sind, mit dir, in diesem
feuchten Garten) das Ideal gezeichnet,

das dieses Schweigen erhellt. Du kannst,
begreifst du es?, nur in diesem Ort der fremden
ruhen, noch immer verbannt. Vornehme

Langeweile um dich herum. Verblaßt nur
klingt manchmal ein Hammerschlag zu dir herüber
aus den Werkstätten des Testaccio, verschluckt

vom Abend: zwischen armseligen Schuppen,
nackte Blechberge, Schrotthügel, wo ein lümmelnder Lehrbursch
sein Tagwerk zu Ende singt,

während der Regen aufhört.

Zwischen Hoffnung und stillem Zweifel
tret ich zu dir. Hier stehe ich selber, arm,
im billigen Anzug, wie ihn die Armen


im schäbigen Glanz der Schaufenster bewundern,
gesäubert vom Schmutz der Gassen, der Straßenbahnbänke,
der meine Tage verstört. Und immer karger im Kampf

ums Brot ist bemessen die Freiheit. Und wenn mir die Liebe zur Welt

wird beschieden, ist es nur durch heftige und naive sinnliche Liebe,
doch deine Strenge fehlt mir noch immer.

Des für und wider dich seins zugleich.
Für dich im hellen Herzen,
im dunklen Gedärm wider dich.

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